Argentiniens Vermögenssteuer: ein Weg nach vorn?

Argentiniens Zustimmung zu einer einmaligen Vermögenssteuer wird als Vorbild präsentiert. Was ist jedoch ihr wirklicher Inhalt und ist sie ein nützlicher Vorschlag, um mit der Krise des Kapitalismus und den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie umzugehen?


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Am 11. Dezember 2020 verabschiedete der argentinische Senat eine neue Steuer für sehr reiche Personen. Die Steuer wird etwa 12.000 der reichsten Menschen des Landes mit einem Vermögen von über 2,3 Mio. US-Dollar betreffen. Die Regierung hat errechnet, dass die neue Steuer 3,5 Mrd. US-Dollar einbringen wird.

Wie zu erwarten war, haben sich die argentinischen Kapitalisten und die politischen Vertreter der rechten Parteien im Kongress und im Senat heftig gegen die Vermögenssteuer ausgesprochen. Viele Aussagen von verschiedenen Geschäftsleuten und politischen Vertretern bedienen den Vorwand, dass die Steuer den Investitionen schade. Einige Geschäftsleute versuchten sogar zu argumentieren, dass die daraus resultierenden Verluste der Bosse mit den Arbeiterinnen und Arbeitern geteilt werden sollten!

Diese skandalöse Position offenbart den wahren Charakter der parasitären Kapitalistenklasse. Inmitten einer Pandemie und einer tiefen Rezession in der Wirtschaft, mit Millionen von Familien, die unter Armut leiden, empfindet eine kleine Minderheit der Ultrareichen „Angst“ davor, einen kleinen Prozentsatz ihres enormen Reichtums besteuert zu bekommen! Eigentlich sollten die Interessen der Mehrheit und der Schutz des Lebens und des Lebensunterhalts der Mehrheit Vorrang vor den Eigentumsrechten einer winzigen, privilegierten Minderheit haben, die enorme Mengen an Reichtum durch die Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiterinnen und Arbeiter angehäuft hat.

Die Großbourgeoisie wird Steuern hinterziehen!

In letzter Instanz ist der bürgerliche Staat ein Staat der Unternehmer, Bankiers und Großgrundbesitzer. Trotzdem haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten gesehen, dass Regierungen und kapitalistische Staaten sich für den Einsatz von Vermögenssteuern entschieden haben. Doch die Einführung einer Vermögenssteuer erfolgt nur als letzter Ausweg und in außergewöhnlichen Krisenzeiten, wie der aktuellen, mit dem Ziel, die Kapitalisten und ihr Regime zu retten.

Wenn man von den bisherigen Erfahrungen mit Vermögenssteuern ausgeht, werden die Reichen Wege finden, diese Steuer zu umgehen: Durch geschicktes finanzielles „Engineering“, Verlegung ihrer Steuerwohnsitze ins Ausland und andere Verschleierungen. Genau das ist in Frankreich passiert, als 2012 die von François Hollandes Sozialistischer Partei geführte Regierung versuchte, eine ähnliche Steuer für Reiche einzuführen. Im aktuellen Fall von Argentinien gab es bereits eine Zunahme von Anträgen auf die uruguayische Staatsbürgerschaft, wo das Steuersystem für die Kapitalisten viel günstiger ist. Dort gibt es zum Beispiel eine fünfjährige Steuerbefreiung für Unternehmen, die sich in Uruguay niederlassen.

Die Vermögenssteuer als Nebelkerze

Der Haushalt 2021 wird ein Sparhaushalt. Er wird im Rahmen der Neuverhandlung eines IWF-Kredits mit dem Internationalen Währungsfonds abgestimmt. Neben Einsparungen im Rentensystem werden Angestellte des öffentlichen Dienstes in nachteilige Tarifverträge gezwungen, die ihnen einen Kaufkraftverlust aufzwingen. Hinzu kommt das Ende des Ingreso Familiar de Emergencia (Familien-Notfall-Einkommen) und des Programa de Asistencia de Emergencia al Trabajo y la Producción (Notprogramm zur Unterstützung von Arbeit und Produktion). Beide sind die wichtigsten sozialen Subventionsprogramme, die die Regierung ins Leben gerufen hat, um die Wut der Schichten der Arbeiterklasse einzudämmen, die infolge der durch die Covid-19-Pandemie angeheizten Krise ohne Arbeit geblieben sind.

Ein wichtiger Makel dieser Steuer liegt in der Verteilung der eingenommenen Gelder. Während ein großer Teil der Steuereinnahmen für medizinische Ausgaben für Covid-19 (20 Prozent), Sozialausgaben in Armenvierteln (15 Prozent) und Zuschüsse für die Hochschul- und Berufsausbildung PROGRESAR (20 Prozent) verwendet wird, fließt ein erheblicher Teil in Subventionen für Unternehmen, die von Covid-19 betroffen sind (20 Prozent) und in Subventionen (25 Prozent) für das für die Fracking-Projekte des Gasunternehmens YP, das zu 51% in staatlichem Besitz ist. Insgesamt werden etwa 45 Prozent des gesamten Geldes, das durch diese neue Vermögenssteuer eingenommen wird, auf die eine oder andere Weise in die Taschen der Kapitalisten zurückfließen. Außerdem handelt es sich bei der neuen Steuer um eine Personensteuer, die also die großen Banken und Konzerne außen vor lässt, die in den letzten Jahren riesige Gewinne angehäuft haben, während die Arbeiterinnen und Arbeiter für die Krise zur Kasse gebeten wurden.

Ein turbulentes Jahr 2021

Argentinien befindet sich inmitten einer tiefen Wirtschaftskrise. Wir werden Mobilisierungen gegen wachsenden Hunger, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit erleben. Die konkreten Forderungen dieser Bewegungen müssen mit einer allgemeinen Perspektive für eine andere Gesellschaft verbunden werden. Einer Gesellschaft, die alle wirtschaftlichen, industriellen und ländlichen Ressourcen in die Hände der Arbeiterinnen und Arbeiter selbst legt.

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