Marxismus, Keynesianismus und die Krise des Kapitalismus

Überall pumpen Regierungen Geld in die Weltwirtschaft, um sie am Leben zu erhalten. Die Anhänger der keynesianischen Ideen fühlen sich in ihrer Forderung nach staatlichen Konjunkturprogrammen und staatlicher Nachfragesteuerung bestätigt. Aber nur der Marxismus bietet eine Lösung.


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Die Coronavirus-Pandemie hat die wahrscheinlich tiefste Krise in der Geschichte des Kapitalismus ausgelöst. Auf breiter Front werden Vergleiche mit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren herangezogen. Denn die Weltwirtschaft bricht ein und die Arbeitslosigkeit schießt in allen Ländern in die Höhe.

In Großbritannien wird für das nächste Quartal ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um mindestens 15% vorhergesagt. In Deutschland dürfte die Schätzung, wonach die wirtschaftliche Leistung berechnet auf das ganze Jahr um etwa 6 Prozent einbrechen wird, eher konservativ berechnet sein. In den USA prognostiziert Morgan Stanley einen auf das Jahr hochgerechneten Rückgang um 30%. Über 30 Millionen Menschen haben in den USA bereits ihren Arbeitsplatz verloren. In Großbritannien haben innerhalb von nur zwei Wochen eine Million Menschen einen Universal Credit (Sozialleistung) beantragt.

Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Die herrschende Klasse bringt alle noch vorhandenen Karten ins Spiel. Das Problem ist, dass ihre Arsenale aufgrund ihrer Versuche, die letzte Rezession zu bekämpfen, bereits aufgebraucht sind.

Mit Zinssätzen von 0% ist die Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen. Jahre der „quantitativen Lockerung“ haben zu sinkenden Renditen geführt. Und die Staatsverschuldung ist durch die Rettung der Banken während der letzten globalen Krise bereits in die Höhe geschnellt. Kurz gesagt, ihnen ist die Munition zur Bewältigung dieser Krise ausgegangen.

Infolgedessen blieb den Regierungen auf der ganzen Welt keine andere Wahl, als Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um das System zu stützen. Allein die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder haben bereits Billionen versprochen, darunter 2,2 Billionen Dollar an Maßnahmen der Zentralbanken und 4,3 Billionen Dollar an Staatsausgaben.

Und aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies nur die Spitze des Eisbergs in Bezug auf das, was erforderlich sein wird, um einen vollständigen Zusammenbruch der Märkte in den kommenden Wochen und Monaten abzuwenden.

Sind jetzt alle Sozialisten geworden?

Viele Beobachter trauen ihren Augen nicht. Über Nacht hat die konservative britische Regierung eine beispiellose staatliche Intervention in der Wirtschaft gestartet und 330 Milliarden Pfund (15 % des BIP) zur Unterstützung von Kleinunternehmen und Hausbesitzern sowie einen unbegrenzten Betrag zur Subventionierung der Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter versprochen. In Deutschland wurden insgesamt 1,2 Billionen Euro in Form von Krediten und Bürgschaften zugesichert. Das ist etwa ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Dazu gehört ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds von 600 Milliarden Euro für große Unternehmen und weitere Hilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe in Höhe von 50 Milliarden. Auch das Kurzarbeitergeld für rund zehn Millionen Beschäftigte ist letzten Endes eine Form der Subventionierung von Unternehmen. In den USA scheint Donald Trump davon überzeugt worden zu sein, „Helikoptergeld“ an amerikanische Haushalte zu verteilen. Jeder Bürger könnte potenziell einen Scheck über 1.000 Dollar per Post erhalten.

In einer ähnlichen Krisenzeit Anfang der 1970er Jahre bemerkte der republikanische US-Präsident Richard Nixon, dass „wir jetzt alle Keynesianer sind“. Damals wandte sich seine Regierung einer expansionistischen Wirtschaftspolitik zu. In ähnlicher Weise erklären heute viele, dass „wir jetzt alle Sozialisten sind“, weil die großkapitalistischen Regierungen überall die Orthodoxie des freien Marktes aus dem Fenster werfen, um das System zu retten.

„Boris muss sich sofort zum Sozialismus durchringen, um den liberalen freien Markt zu retten“, erklärte ein Journalist im Sprachrohr der Tories, The Telegraph. Die Coronavirus-Krise „macht aus Tories Sozialisten“, kündigte eine weitere Schlagzeile an, diesmal in der konservativen Zeitschrift The Spectator.

Diejenigen auf der Linken, die sich jahrelang gegen Sparmaßnahmen und für Forderungen wie ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE) eingesetzt haben, glauben jetzt verständlicherweise, dass ihre Zeit gekommen ist. Selbst der scheidende Labour-Führer Jeremy Corbyn erklärte, die Notstandsmaßnahmen der Tory-Regierung seien eine Rechtfertigung seines Wirtschaftsprogramms. Hier ist er schließlich, der berühmte „magische Geldbaum“, von dem die Konservativen stets behauptet hatten, dass er nicht existiere!

Insbesondere die Befürworter keynesianischer Politik – also staatlicher Konjunkturpakete und Wirtschaftssteuerung – sind der Meinung, dass sich ihre Ideen endlich als richtig erwiesen haben. Das Gleiche gilt für ihre zeitgenössischen Gefolgsleute: die Anhänger der „Modernen Geldtheorie (MMT), die von führenden Vertretern der Demokratischen Partei in den USA, wie Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) ebenso wie von einflussreichen Wirtschaftsberatern der britischen Arbeiterbewegung vertreten wird.

Die jüngsten Ereignisse scheinen Aktivisten die perfekten Argumente gegen die rechten Kritiker zu liefern, die fragen, wie radikale Politik bezahlt werden soll. Wollen Sie kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung? Kein Problem, wir werden einfach Geld drucken. Masseninvestitionen in grüne Energie? Keine Sorge, wir können den Geldhahn der Regierung aufdrehen. Jedem ein BGE geben? Ganz einfach – schreiben Sie es einfach auf die Rechnung! Das Problem ist nur, dass diese Rechnung irgendwann bezahlt werden muss. Die eigentliche Frage ist: von wem?

Was bedeutet Keynesianismus?

Um die Wahrheit zu sagen: Die Bezeichnung „Moderne Geldtheorie“ ist nicht ganz korrekt. In Wirklichkeit ist sie keine große Theorie. Sie ist auch nicht besonders modern. Tatsächlich ist sie im Grunde genommen nur ein Aufguss der Ideen von John Maynard Keynes, der glaubte, dass Regierungen das kapitalistische System durch „Stimulierung der Nachfrage“ steuern und regulieren könnten.

Der 1946 verstorbene Keynes war ein englischer Wirtschaftswissenschaftler, der durch seine Schriften über die turbulente Zwischenkriegszeit bekannt wurde. Obwohl er heute von der Arbeiterbewegung und der Linken umarmt und verehrt wird, war Keynes ein strenger Liberaler. Er lehnte den Sozialismus, den Bolschewismus und die Russische Revolution entschieden ab und erklärte stolz, dass „der Klassenkampf mich auf der Seite der gebildeten Bourgeoisie finden wird“.

In der Tat waren seine Ideen nicht dazu gedacht, der Arbeiterklasse zu helfen. Sie waren im Gegenteil ein Versuch, den kapitalistischen Regierungen eine Strategie zu liefern, wie sie aus Krisen herauskommen könnten. Insbesondere sein berühmtestes Werk – Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes – war eine direkte Antwort auf die Weltwirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit, die zu dieser Zeit Amerika, Großbritannien und ganz Europa erfasste.

Keynes war zwar kein Fan des Sozialismus, kritisierte aber den so genannten „freien Markt“. Er erkannte korrekterweise – wie Marx viele Jahrzehnte zuvor – dass die „unsichtbare Hand“ des Marktes nicht allmächtig war und ist; dass Angebot und Nachfrage nicht immer in perfektem „Gleichgewicht“ zusammenfinden würden.

Stattdessen befand sich der Kapitalismus periodisch – wie in den 1930er Jahren – in einem Teufelskreis: steigende Arbeitslosigkeit führte zu sinkender Nachfrage; sinkende Nachfrage führte zu einem Zusammenbruch der Unternehmensinvestitionen. Und zusammenbrechende Investitionen führten zu steigender Arbeitslosigkeit, und so weiter.

Die Lösung, so Keynes, bestehe darin, dass der Staat den Nachfragerückgang auf jeden Fall ausgleicht. Mit anderen Worten, die Regierungen sollten dort investieren, wo die Privatwirtschaft nicht investieren würde, um sicherzustellen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter Geld in der Tasche hätten, das sie ausgeben könnten.

Sein Anliegen war weniger, dass die Arbeiter gut essen konnten, sondern mehr, dass sie kaufen und konsumieren konnten, um so einen Markt – die „effektive Nachfrage“ – zu schaffen, den die Kapitalisten benötigten, um ihre Produkte zu verkaufen und Gewinne zu erzielen. Kurz gesagt: Das Programm von Keynes zielte nicht darauf ab, das Leben der Arbeiterklasse zu verbessern, sondern den Kapitalismus vor seinen eigenen Widersprüchen zu retten.

In dieser Hinsicht sehen wir heute ein Echo von Keynes' Ideen in der Politik, die als Antwort auf die durch das Coronavirus ausgelöste Krise durchgeführt wird. Das Establishment macht sich nicht so sehr Sorgen um die Menschen, die kurzfristig sterben, sondern um die potenzielle Wirtschaftskrise, die folgen wird, wenn die Arbeiter keine Arbeit, kein Geld und keine Möglichkeit haben, den Kapitalisten die von ihnen produzierten Waren zu kaufen. Wie in der Weltwirtschaftskrise geht es der herrschenden Klasse und ihren Wirtschaftsberatern also nicht darum, das Leben der einfachen Menschen zu retten, sondern um die Lebensfähigkeit ihres Systems - des Profitsystems.

New Deal

Vor allem die Ideen von Keynes hatten großen Einfluss auf die Gestaltung des New Deal: Präsident Roosevelts Programm für öffentliche Arbeiten, die das Wirtschaftswachstum der USA während der Weltwirtschaftskrise ankurbeln sollten. Schließlich erklärte der englische Wirtschaftswissenschaftler in seiner Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, dass die Regierung die Nachfrage ankurbeln könnte, indem sie Geld im Boden vergräbt und die Arbeiter dazu bringt, es wieder auszugraben. „Es muss keine Arbeitslosigkeit mehr geben“, erklärte Keynes. „Es wäre in der Tat sinnvoller, Häuser und dergleichen zu bauen“, fuhr er fort, „aber wenn dem politische und praktische Schwierigkeiten im Wege stehen, wäre das oben Gesagte besser als nichts“.

Heute werden dieselben Ideen im Zusammenhang mit Vorschlägen für einen „Green New Deal“ (GND) aufgeworfen, der zu einer zentralen Forderung der politischen Linken geworden ist, die von Alexandra Ocasio-Cortez (AOC) in den USA und von linken und Gewerkschaftsaktivisten in ganz Europa gefordert wird. Allerdings erwähnen die Befürworter eines neuen New Deal nicht, dass schon das Original nicht funktioniert hat. Der Einbruch setzte sich lange nach seiner Umsetzung fort (tatsächlich wurde er mit dem Aufkommen des Protektionismus auf Kosten des Nachbarn noch schlimmer). Die Arbeitslosigkeit stieg sogar an. Erst mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der Einberufung von Arbeitern in die Armee und den Einsatz im Rüstungssektor ging die Arbeitslosigkeit zurück.

Selbst Keynes selbst musste seine Niederlage eingestehen. „Für eine kapitalistische Demokratie scheint es politisch unmöglich zu sein, Ausgaben in der Größenordnung zu organisieren, die notwendig sind, um die großen Experimente zu machen, die meinen Standpunkt beweisen würden – außer unter Kriegsbedingungen“, so sein Fazit. Dies ist in den letzten Jahren auch in China zu beobachten. Dort wurde im letzten Jahrzehnt das bisher größte keynesianische Bauprogramm aufgelegt, um den Auswirkungen der globalen kapitalistischen Krise zu entgehen. Aber das Ergebnis war ein massiver Anstieg der öffentlichen Schulden auf der einen Seite und der groteske Widerspruch zwischen Geisterstädten auf der einen Seite und einer riesigen Wohnungsnot auf der anderen Seite. Dies ist die logische Folge der keynesianischen Versuche, eine kapitalistische, profitorientierte Wirtschaft bürokratisch zu verwalten. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass ein neuer New Deal heute in Amerika, Großbritannien oder anderswo besser laufen würde.

Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Unterschiede zwischen diesen (gescheiterten) keynesianischen Experimenten der Vergangenheit und den Maßnahmen zu berücksichtigen, die heute von politischen Entscheidungsträgern und führenden Persönlichkeiten der Welt unter ähnlich verzweifelten Umständen ergriffen werden. Die traditionellen keynesianischen Maßnahmen waren ein Versuch, die Nachfrage – und damit wiederum die Unternehmensinvestitionen – durch staatliche Ausgaben zu stimulieren. Gegenwärtig geht es jedoch nicht so sehr darum, die Nachfrage anzukurbeln; schließlich ist die Produktion durch die Pandemie weitgehend gelähmt.

Stattdessen geht es in erster Linie nur darum, das System so lange am Leben zu erhalten, bis sich die gegenwärtige Situation entspannt hat. Es geht darum sicherzustellen, dass die Bosse noch über Arbeitskräfte verfügen, die sie ausbeuten können, wenn wieder auf Play gedrückt wird. Und vor allem geht es darum, den Arbeitern eine elementare Lebensgrundlage zu bieten, um zu verhindern, dass es in der Zwischenzeit zu einer sozialen Explosion kommt.

Es gibt nichts umsonst

Wie ihre traditionellen keynesianischen Vorgänger sind die Befürworter der MMT der Meinung, dass es niemals zu einem Wirtschaftseinbruch kommen sollte und auch Sparmaßnahmen oder ausgeglichenen Haushalte niemals nötig sein sollten. Schließlich, so die Theorie, würden die Regierungen immer eingreifen, indem sie Geld schaffen und es ausgeben.

Vorausgesetzt, dass die Länder ihre eigene „unabhängige“ Währung haben, so sagt man uns, könnte der Regierung niemals das Geld ausgehen. Schließlich könne sich der Staat immer dafür entscheiden, etwaige Schulden zu bezahlen, indem er mehr Geld „druckt“.

Ja, Geldscheine können „aus dem Nichts“ erzeugt werden. Aber Geldwert und Nachfrage nicht. Der Staat kann Geld produzieren und in Umlauf setzen. Aber der Staat kann nicht garantieren, dass dieses Geld irgendeinen Wert hat. Ohne eine produktive Wirtschaft als Basis ist Geld bedeutungslos. Geld ist nur eine Darstellungsform von Wert. Und wirklicher Wert wird in der Produktion geschaffen, als Ergebnis von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit.

Das Geld, das ein Staat schafft, wird daher nur insofern einen Wert haben, als es den Wert widerspiegelt, der in der Wirtschaft in Form von Produktion und Austausch von Waren im Umlauf ist. Wo dies nicht der Fall ist, ist dies ein Rezept für Inflation und Instabilität. Wenn zum Beispiel die Regierung bei ansonsten gleichen Bedingungen zwei Scheine druckt, wo vorher einer war, wird die Währung um die Hälfte abgewertet. So werden sich die Preise in der Wirtschaft verdoppeln. Mittelalterliche Monarchen – und ihre Untertanen – haben dies auf die harte Tour gelernt, als die Preise in die Höhe schnellten und die Inflation als Reaktion auf endlose Entwertungen der Währung explodierte.

Letzten Endes gibt es im Kapitalismus nichts umsonst. Die Regierungen haben kein eigenes Geld. Staatsausgaben müssen letztlich aus Steuern oder durch Kreditaufnahme bezahlt werden. Und weder das eine noch das andere schafft Nachfrage, sondern lenkt diese lediglich an der Wirtschaft vorbei. Nehmen wir etwa die Steuern. Diese müssen entweder auf die Kapitalistenklasse umgelegt werden, die dann die Investitionen zurückfährt. Oder sie müssen der Arbeiterklasse auferlegt werden, die dann weniger für den Konsum ausgibt. In beiden Fällen besteht der Effekt darin, die Nachfrage einzuschränken, nicht sie zu wecken.

Ähnliches gilt für die staatliche Kreditaufnahme. Geld, das heute von den Kapitalisten geliehen wurde, muss morgen zurückgezahlt werden – und zwar mit Zinsen. Mit anderen Worten: Die Nachfrage kann heute durch Staatsverschuldung „stimuliert“ werden, aber nur, indem man die Nachfrage in der Zukunft drosselt. Der Staat kann versuchen, Steuern und Kreditaufnahme zu vermeiden, indem er Geld druckt. Aber er kann nicht Lehrer und Schulen, Ärzte und Krankenhäuser oder Ingenieure und Fabriken drucken. Wenn die Staatsausgaben die Nachfrage über das verfügbare Angebot hinaus steigern, werden die Marktkräfte die Preise auf breiter Front in die Höhe treiben, d.h. sie werden Inflation erzeugen.

Dies ist die unüberwindbare Grenze für die Fähigkeit jeder Regierung im Kapitalismus, Geld zu schaffen und auszugeben – die Produktionskapazitäten der Wirtschaft: die wirtschaftlichen Ressourcen, die einem Land in Bezug auf Industrie, Infrastruktur, Bildung, Bevölkerung usw. zur Verfügung stehen. Gleichzeitig kann der Staat zwar Geld schaffen, aber er kann nicht dafür sorgen, dass dieses Geld auch tatsächlich ausgegeben wird. Es ist nicht der Staat, der die Nachfrage nach Geld schafft, sondern die Bedingungen der kapitalistischen Produktion. Und diese Produktion wird letztlich vom Profit getrieben. Unternehmen investieren, produzieren und verkaufen, um Gewinn zu machen. Wo die Kapitalisten keinen Profit machen können, werden sie nicht produzieren. So einfach ist das.

Kapitalismus und Klassengesellschaft

Wenn die gesellschaftlichen Bedürfnisse nicht durch den privaten Sektor gedeckt und produziert werden, kann die Regierung natürlich eingreifen und sie direkt durch den öffentlichen Sektor decken. Aber die logische Schlussfolgerung daraus ist nicht, mehr Geld zu schöpfen oder allen ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ zu verschaffen, sondern die Produktion dem Markt zu entreißen, indem die wichtigsten Hebel der Wirtschaft im Rahmen eines rationalen, demokratischen, sozialistischen Plans verstaatlicht werden. Aber man kann nicht planen, was man nicht kontrolliert. Und man kann nicht kontrollieren, was man nicht besitzt. Der Keynesianismus drückt sich jedoch um diese Schlüsselfrage des wirtschaftlichen Eigentums.

In der Tat ist die keynesianische Wirtschaftsanalyse völlig frei von der Klassenfrage. Denn sie scheint die Tatsache zu verdrängen, dass wir in einer Klassengesellschaft mit entgegengesetzten wirtschaftlichen Interessen leben: denen der Ausbeuter und denen der Ausgebeuteten. Solange die Wirtschaft vom Großkapital und von privaten Monopolen beherrscht wird, wird letztlich alles Geld, das in das System gepumpt wird, zur Bezahlung von Waren, Lebensmitteln und Wohnraum verwendet, die von den Kapitalisten produziert werden.Mit anderen Worten, all dieses Geld wird in die Hände von Schmarotzern gelangen, die Profit machen. Das ist das wahre Problem mit reformistischen Forderungen wie dem BGE, die nicht dazu beitragen, die Macht der Kapitalistenklasse herauszufordern.

Letztendlich schlagen weder die Keynesianer noch ihre Nachahmer und Verfechter von MMT und BGE vor, die gegenwärtigen Wirtschaftsbeziehungen und die daraus resultierenden gebrochenen Dynamiken grundlegend zu verändern. Für sie bleibt das kapitalistische Privateigentum unantastbar und heilig. Die Anarchie des Marktes bleibt unangetastet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ihre Strategie darauf abzielt, den Kapitalismus zu retten und zu flicken, anstatt ihn zu überwinden. Wir müssen die Wurzeln des kapitalistischen Systems anpacken: Privateigentum und Produktion für den Profit. Nur wenn wir das Gemeineigentum an Produktionsmitteln zusammenführen und einen demokratischen sozialistischen Wirtschaftsplan durchsetzen, können wir die Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigen. Wir können uns nicht den Weg zum Sozialismus drucken.

Marxismus contra Keynesianismus

Selbst in den Jahren des zurückliegenden „Wirtschaftsaufschwung“ waren die Produktionskapazitäten der labilen Weltwirtschaft bei weitem nicht voll ausgelastet. Diese „Überkapazitäten“ sind zu einem charakteristischen Symptom eines Systems geworden, das seine Nützlichkeit längst überlebt hat. Selbst auf seinem Höhepunkt konnte der Kapitalismus nur etwa 80-90% seiner produktiven Fähigkeiten erfolgreich nutzen. In Zeiten der Rezession sinkt dieser Anteil auf 70% oder weniger. In vergangenen Rezessionen sank dieser Wert auf nur noch 40-50%. Aber die Frage, die von den Keynesianern (jeglicher Couleur) nie gestellt wurde, lautet: Wie sind wir überhaupt in diese Situation geraten?

„Die Anwendung der MMT [und des Keynesianismus im Allgemeinen] kommt dem Aufpumpen eines platten Reifens gleich“, bemerkt Larry Elliott, Wirtschaftsredakteur des Guardian. „Wenn er einmal vollständig aufgepumpt ist, besteht keine Notwendigkeit mehr, ihn weiter aufzupumpen. Aber was ist die Ursache für die ursprüngliche Reifenpanne?“

Warum wird unsere volle Produktionskapazität nicht ausgenutzt? Warum ist die Wirtschaft in dieser Abwärtsspirale aus niedrigen Investitionen, Arbeitslosigkeit und stagnierender Nachfrage stecken geblieben? Warum muss die Regierung eingreifen und das System retten? Darauf haben die Keynesianer keine Antwort. Sie stellen lediglich fest, dass „Überkapazitäten“ das Ergebnis eines Mangels an effektiver Nachfrage sind. Unternehmen investieren nicht, weil es keine ausreichende Nachfrage nach den von ihnen produzierten Waren gibt. Aber warum?

Der Marxismus hingegen liefert eine klare wissenschaftliche Analyse des kapitalistischen Systems, seiner Beziehungen und Gesetze und der Gründe, warum diese unweigerlich zu Krisen führen. Letztlich handelt es sich dabei um Überproduktionskrisen. Die Wirtschaft bricht nicht einfach wegen eines Nachfragerückgangs (oder Vertrauensverlustes) zusammen, sondern weil die Produktivkräfte mit den engen Grenzen des Marktes in Konflikt geraten.

Die Produktion im Kapitalismus ist profitorientiert. Aber um Profit zu erzielen, müssen die Kapitalisten in der Lage sein, die von ihnen produzierten Waren zu verkaufen. Der Profit wird jedoch von den Kapitalisten aus der unbezahlten Arbeit der Arbeiterklasse angeeignet. Die Arbeiter produzieren mehr Wert, als sie in Form von Lohn zurückerhalten. Die Differenz ist der Mehrwert, den die Kapitalistenklasse in Form von Profiten, Grundrente und Zinsen unter sich aufteilt.

Das Ergebnis ist, dass es im Kapitalismus eine zwangsläufige, systemimmanente Überproduktion gibt. Es ist nicht einfach ein „Mangel an Nachfrage“. Die Arbeiter können niemals alle Waren zurückzukaufen, die sie im Kapitalismus produzieren. Die Fähigkeit zu produzieren übertrifft die Aufnahmefähigkeit des Marktes.

Natürlich kann das System diese Grenzen für eine gewisse Zeit überwinden, durch Reinvestition des Mehrwerts in neue Produktionsmittel oder durch Kredite zur künstlichen Erweiterung des Marktes. Aber dies sind nur vorübergehende Maßnahmen, die den Weg in noch tiefere Krisen ebnen. „Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“, schrieben Marx und Engels schon 1848 im Kommunistischen Manifest.

Der Wirtschaftseinbruch 2008 markierte den Höhepunkt eines solchen Prozesses – ein Höhepunkt, der aufgrund der keynesianischen Politik und eines Kreditbooms letzten Endes um Jahrzehnte verzögert wurde. Doch nun ist eine neue, noch tiefere Krise eingetreten – und weder die Keynesianer noch die MMT-Vertreter können einen Ausweg bieten. Das ist die Aufgabe der Marxisten. Keynesianismus und MMT bieten für eine chronische Krankheit allenfalls eine Beschwerden lindernde Medizin an. Aber sie können diese Krankheit weder richtig diagnostizieren noch eine echte Heilung anbieten.

Sozialismus oder Barbarei

Die Kapitalisten konzentrieren sich in einem verzweifelten Versuch darauf, ihr System vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Aber was sie den Arbeiterinnen und Arbeitern heute in Form von Lohnsubventionen, Kurzarbeitergeld und Staatsausgaben geben, werden sie ihnen morgen durch Sparmaßnahmen wieder wegnehmen.

Diejenigen in der Arbeiterbewegung, die Maßnahmen im keynesianischen Stil fordern, sind ohne Zweifel voller guter Absichten. Aber, wie das alte Sprichwort sagt, der Weg zur Hölle ist mit solchen guten Vorsätzen gepflastert. Forderungen nach keynesianischer Politik, MMT, BGE und ähnlichen Zielen sind nicht nur falsch, sondern schädlich – und zwar deswegen, weil sie Illusionen säen und den Weg für Katastrophen und Enttäuschungen ebnen. Deshalb müssen wir laut aufschreien wie der kleine Junge in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen: „Der Kaiser trägt keine Kleider, er ist nackt.“ Wir haben die Pflicht, ein Wort der Warnung an die Arbeiter und die Jugend auszusprechen: Glaubt nicht denen, die versuchen, euch ihre Wundermittel aufzudrängen. Jetzt ist nicht die Zeit für den hinterhältigen Charme von Scharlatanen und Quacksalbern.

Wir kritisieren Keynesianismus und MMT jedoch nicht aus der gleichen Position wie die bürgerlichen Befürworter und Ideologen des „freien Marktes“. Nein, unsere Kritik kommt aus einer marxistischen Perspektive – aus der Sicht dessen, was gut für die Arbeiterklasse weltweit ist; aus der Sicht dessen, was notwendig ist, um den Kapitalismus abzuschaffen und die Menschheit zu befreien.

Der Kapitalismus befindet sich in einer Sackgasse. Er kann der Gesellschaft nichts als Barbarei bieten. Nur eine klare Alternative auf der Grundlage des Gemeineigentums, der Arbeiterkontrolle und einer demokratischen sozialistischen Wirtschaftsplanung kann der Menschheit einen fortschrittlichen Ausweg aufzeigen.

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